Arbeit macht frei

Genau genommen wollte ich über diesen Satz meine Magister Arbeit schreiben. Arbeit macht frei Davon habe ich dann die Finger gelassen und mich mit der Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern befasst. Auch kein schlechtes Thema. Das war eine saumäßige Quälerei aber am Ende hatte ich ein paar Dinge klar und habe damit meinen Magister für Politologie gemacht. Diesen Titel mag ich bis heute. Erworben an der Universität Augsburg.

Wo ich bin kann ich nicht bleiben, wo ich hin will, will ich nicht sein So oder so ähnlich hat es Bertolt Brecht formuliert. Deswegen jedenfalls riet ich dem eher links orientierten Part der Augschburger Studentenschaft davon ab, weiter hin dafür einzutreten, diese Universität irgendwann just nach jenem Sohn dieses Papierfabrikanten zu benennen. Woisch der Haindl, woisch scho Der wollte davon weg, davon wo die Wiege stand. Das jedenfalls kann ich ihm sehr gut nachempfinden. Und immer ungeheuer oben

Hirschfelde im Frühjahr

Der brandenburgische Landladen mit dem löslichen Kaffe hatte seit 16:00 Uhr geschlossen. Mit einer Schrift die an Kindheit erinnert steht an der Tür ein Gruß zur Jugendweihe. Ein Bayer in Ostdeutschland. Vielleicht sind meine Tage hier gezählt, Dann ist es eben Schicksal. Die Bäume entwickeln sich an der alten preußischen Chaussee prächtig. Griechenland? Schwierige Koalitonsverhandlungen und Merkel hat in Frankreich neue Freunde. Ein Karrierist kann dem Röttgen-Blick des Volkes nicht standhalten. Tja – Herr Röttgen. Der Spekulatius hat sich gründlich mit Tee vollgesogen und ist jetzt lapprig.

Der Alfa steht dort, wo er meistens steht in Hirschfelde. Der Rundgang dauerte knapp eine halbe Stunde und ich war allein. Selbstgewähltes Schicksal oder bejammernswerte Fügung? Mein Hirn war näher an Punk als an RocK’Roll. Allein ist es sowieso.

Alter Fuchs am Telefon

Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte. Ein alter Fuchs ist am Apparat, der vor Jahren einen anderen Fuchs witterte in einer rein geschäftlichen Beziehung – wie man so schön sagt.

“Sie sind zurück? Was für eine Freude! Es war ja einiges los in den letzen zwei Monaten. Auf französisch kriege ich es jetzt nicht ganz hin, aber auf deutsch heißt es so schön, wenn die Katze nicht im Haus ist, tanzen die Mäuse auf den Tischen – mit anderen Worten Sie haben nichts verpasst in den letzten acht Wochen.”

Ich lächle und sage ihm, “Ich weiß, dass Sie sich freuen.” Überschlage den Betrag, den er von mir erhält und bleibe bei 50.000 Euro stehen.

Dieses Geld ist nicht mein Geld, es ist das Geschäftsgeld eines Angestellten – weder hafte ich dafür noch bin ich pleite wenn sich die Erwartungen in diese Kohle nicht erfüllen werden.

“Sagen Sie mal, ich habe hier einen Bericht ihres Chefs auf dem Tisch liegen.”

“Aha,” sage ich, “das ist ja interessant.”

“Wie kann ich Ihnen da weiterhelfen?”

“Ich kenne Ihren Chef nicht, aber ich kenne Sie! Und deswegen frage ich Sie! Ihr Vorgesetzter wünscht von mir Änderungen, die ich aus fachlicher Sicht für Unsinn halte.”

Es folgt eine längere Begründung.

“Wie soll ich auf diese Korrekturwünsche reagieren?” fährt er fort mit seinen 55 Jahren. “Sie kennen Ihren Chef. Deswegen frage ich Sie,” fordert er eine kluge Einschätzung ein.

Eine kluge Einschätzung für die er jede Berechtigung hat, diesen Herren schätze ich sehr. Also bekommt er sie.

“Ja, Sie haben Recht, ich habe – ihn kennengelernt.” entgegne ich.

Das Ausrufezeichen zwischen den Zeilen quittiert er mit einem lauten Lachen. Der Mann ist Nichtraucher, das weiß ich, aber wäre er Raucher würde er jetzt an einem Zigarillo ziehen. Dieser Herr fädelt Geschäfte in der Ukraine ein auf seriöser Basis. Ich kenne meine Pappenheimer, wie es so schön heißt.

Mangels Zigarette stehe ich auf und gehe ans Fenster.

“Sie wollen von mir eine Antwort?” “Ja, ich will von Ihnen eine Antwort.” “Schreiben Sie es so hin, wie er er es ihnen angeordnet hat. Wenn er es so will, dann will er es so! Das habe ich in mehreren Zusammenhängen erlebt. Wenn er es so will, dann will er es so!”

“Wer zahlt, schafft an – das ist die Geisteshaltung, die hier vorherrschend ist.” Der Selbständige versteht und wir können getrost die Maske zur Seite legen. Damit war alles Wesentliche gesagt. Die Flut an Informationen, die dieser Herr – einer der honorigen, alten Schule – keine Frage – danach über mich ausgoß war einfach fabelhaft.

Wie haben viel gelacht. Eines jener Lachen, wo mir jedenfalls klar war: “Und wenn dir der Arsch auf Grundeis geht. Das willst du nicht verraten” – it’s a ‘Gentlemens Agreement’ – so eine Art Loge.

Den Satz: “Wenn er es so will, will er es so.” quittierte er regelmäßig mit Neuigkeiten.

Der Typ sieht tatsächlich einem der beiden Alten aus der Loge der Muppets-Show verblüffend ähnlich.

Hochverehrtes Publikum, was meint Ihr mit wem ich in meinem Leben öfter verglichen wurde als mit sonst was anderem – richtig – Waldorf und Stattler.

Es gibt Telefonate, die lassen dich innerlich eine kesse Sohle aufs Parkett legen.

Es war wie der Tanz von Waldorf und Stattler.

Danach waren wir beide einen deutlichen Schritt weiter.

Er beendete das Gespräch mit einem Satz, der wie eine Rose ist nach einem gelungenen Tanz.

“Ich bin froh, den Kapitän wieder auf Deck zu sehen.”

Sollte dieser Herr jemals mit meiner Vorgesetzten sprechen, bin ich bei den Bedingungen dabei, soviel ist klar. Das wird er nicht tun, vermutlich nicht.

Aber er kennt jetzt eine saubere Analyse meines Arbeitsumfeldes – ungeschminkt – die Ansichten eines Clowns, der die Schminke abstreift und beim Griff nach dem Weinbrand einen Tigel Gesichtscreme in der Hand hat.

Wir sind im Geschäft.

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