Hirschfelde im Frühjahr

Der brandenburgische Landladen mit dem löslichen Kaffe hatte seit 16:00 Uhr geschlossen. Mit einer Schrift die an Kindheit erinnert steht an der Tür ein Gruß zur Jugendweihe. Ein Bayer in Ostdeutschland. Vielleicht sind meine Tage hier gezählt, Dann ist es eben Schicksal. Die Bäume entwickeln sich an der alten preußischen Chaussee prächtig. Griechenland? Schwierige Koalitonsverhandlungen und Merkel hat in Frankreich neue Freunde. Ein Karrierist kann dem Röttgen-Blick des Volkes nicht standhalten. Tja – Herr Röttgen. Der Spekulatius hat sich gründlich mit Tee vollgesogen und ist jetzt lapprig.

Der Alfa steht dort, wo er meistens steht in Hirschfelde. Der Rundgang dauerte knapp eine halbe Stunde und ich war allein. Selbstgewähltes Schicksal oder bejammernswerte Fügung? Mein Hirn war näher an Punk als an RocK’Roll. Allein ist es sowieso.

Ein preußisches Dorf

Am Nachmittag eines Ostersonntags nicht willkommen zu sein. Schnell musste ich diese Feststellung treffen und bin gegangen – eine Runde durchs Dorf zu drehen. Es ist ein brandenburgisches Straßendorf. Zu beiden Seiten stehen die Gebäude in einer Reihe. Das Schloß aus dem etwa 18. Jahrhundert in der Mitte. Mit einem Park der immer noch davon zeugt, sie wussten zu leben. Auf Kosten vieler anderer, die um sie herum gewohnt haben. Aber wie sind sie damit umgegangen? Wie haben sie sich dazu gestellt, dass andere weit aus weniger hatten als sie? Was die Preußen in den Augen eines Bayern können, und das sind meine, ist, Parkanlagen zu bauen. Darin waren sie großartig – die Preußen. So spaziere ich durch ein Dorf in der Nähe von Vehlefanz und denke nach. Ich muss sehr viel denken in diesen Tagen. Darüber, ob ich mich verrannt habe, woher die nächste Kohle kommt, auf der nicht steht: “Die kommt vom Staat!”

Ein Schloss, viele Wohnhäuser darum herum. Kleine Bauernhöfe und klar erkennbare öffentliche Einrichtungen, die etwa ein Jahrhundert auf dem Buckel haben, können auch 150 Jahre sein.

Auf dem Friedhof liegt alter preußischer Landadel: von Trotha (oder doch von Trotta, von wegen Margarete von Tohta), von Bülow. Ich mag alte Friedhöfe. Das hat jetzt mit morbid eher weniger etwas zu tun.

Dieses morbide Straßendorf sieht so aus – fast so aus, zumindest sehr ähnlich – wie ein Dorf meiner Ahnen.

Eine Schule, Kirche, Dorfkrug eventuell mit Tanzboden, eine Haltestelle für Busse oder ähnliches, Gemeindehaus, Feuerwehr – Schloß mit Park, Gemeindewaage nebst Backhaus. Und Getreidesäcke, die über Mauern fliegen und in Kellern verschwinden. Er ist einsam dieser Nachmittag eines Ostersonntags. Seine Erkenntnisse, sind nicht von jener Art, die man freudig begrüßt. Aber diesen Erkenntnissen muss ich mich stellen. Wenn du mitte März riechst, bis Mitte April wird es noch mal sehr kalt, dann zieh dich warm an.

Das Szenario, auf das ich letztlich stieß, war mir von Anfang an klar: “Die JMutter der janzen Chose darf ich nach Hause fahren.” Und so kam es dann auch: Ich war gewiss nicht erfreut, aber ich dachte mir: hab’ ick ett doch jewusst. Blöderweise konnte sie ihrer Tochter nicht ganz erklären, was es mit dem großen Kino auf sich hat. Vielleicht liegt es auch an mir, ein Freund des ganz großen Kinos. Einer der das Wort Kintopp noch kennt. Cinma, la maison de la lumière magique.

Der Heimweg wird anstatt 50 Kilometer, 150 betragen. Ich erfahre viel über eine Familie, die nicht meine ist. Die leben noch, im Gegensatz zu den Grabsteinen auf dem Friedhof. Ob sie jetzt ‘Hurra’ schreien oder nicht – sie leben noch. Was mussten sie nicht alles überstehen und leben noch. Neben mir sitzt eine Dame, deren Urenkel, mich mit knapper Handbewegung verabschiedet hat, mit seinen 8 Jahren. Tja, ja, Familie – nicht meine. Obwohl es meine sein könnte. Fragen sie mich bitte nicht nach Familiengeschichten. Also da kann es richtig grausam werden. Geradezu gruselig, um nicht zu sagen Morbid.

Wo viel Schatten ist, ist das Licht nicht fern. Das ist die andere Seite. Ohne die das Versus nicht denkbar wäre.

An dieser Stelle gehen mir vermutlich die Leserquoten flöten. Jetzt wird es Kryptisch. Fassen Sie sieben Stunden in xxxxx² Zeilen zusammen. Kein Wunder, dass ich an Schlaflosigkeit leide. “Wir werden wohl eher Freunde.” Fast war ich mir sicher, sie wird sich mit der kleinen Lösung begnügen.